BAYERISCHER UNTERMAIN. Sei es Instagram, Facebook oder im Fernsehen – mittlerweile wird uns suggeriert: Schön bist du nur, wenn du Topmodelmaße hast. Dazu gehört es, dass deine Brüste stehen, als hätte jemand zwei Luftballons aufgeblasen, deine Taille die einer Wespe ist – dein Hintern aber trotzdem so prall ist, dass man darauf ein Glas abstellen könnte. Blöd gelaufen – all das habe ich nämlich nicht. Mein Name ist Sina Grusdat und ich bin nicht perfekt. Und jetzt? Muss ich mich im Keller einschließen? Darf ich mich nicht schön finden, wenn ich mich trotzdem wohlfühle? Wenn es nach dem ein oder anderen Befragten in der Aschaffenburger Fußgängerzone gehen würde – nein.
Es ist ein sonniger Tag, an dem ich das Funkhaus mit einem Bikinibild von mir verlasse. Der Kopf auf dem Bild ist abgeschnitten. Ich möchte wissen, was Passanten zu meinem Körper sagen, wenn sie erstmal nicht wissen, dass ich das bin. Fragen, die ich im Hinterkopf habe: Wie streng sind wir mit dem Körper von anderen und unserem eigenen? Sind wir im Jahr 2019 bereit einen Frauenkörper zu akzeptieren, der nicht rundum perfekt ist? Mir wird schnell klar: scheinbar nicht. Aber zu meiner Erleichterung sehen mich doch auch einige als „normal“ an.
Warum tue ich mir das an?
Erstmal stellt sich Ihnen wahrscheinlich die Frage: Warum macht die Frau das? Muss ihr nicht klar sein, dass die Leute sie möglicherweise in der Luft zerreißen werden? Ja, mir war bewusst, dass es möglicherweise den ein oder anderen hässlichen Kommentar regnen wird – schließlich hat jeder ein anderes Schönheitsempfinden. Dass Menschen dann teilweise aber doch so hart über einen Frauenkörper – über meinen Körper – urteilen würden, hätte ich nicht erwartet. Kommentare wie „Allzu oft wird die Frau noch keinen Sport gemacht haben“, „Boah, ist die hässlich“, „Wenn sie 60 ist ok, für Anfang 20 geht das nicht“ – diese, das muss ich ehrlich zugeben, haben teilweise sehr wehgetan. Denn tatsächlich bin ich sehr sportlich, gehe zweimal die Woche ins Tennistraining und regelmäßig ins Fitnessstudio – der Bauch bleibt. Gemacht habe ich das für Frauen wie mich (natürlich auch für Männer), die manchmal Zweifel haben: Bin ich schön genug? Viel zu oft sagen Freundinnen zu mir: „Sina, ich bin zu dick. Guck doch mal meinen Bauch an, der passt nicht – mein Hintern ist auch nicht perfekt.“ Aber was ist denn eigentlich perfekt? Eine Schablone für den perfekten Körper gibt es glücklicherweise nicht, denn am Ende sehen wir alle ganz unterschiedlich aus – und das ist auch gut so.
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Ilona Stickler aus Kahl
„Man muss zu seinem Körper stehen und sie kann ja auch nichts dazu. Ich bin vielleicht etwas körperorientierter als die Dame, aber ist ok. Ich bin einfach ein sportlicher Typ und die Dame hat wahrscheinlich noch nicht so oft Sport gemacht.“
Reaktion als ich die Situation aufgelöst habe: „Ich würde ihnen eine 16:8 Diät empfehlen oder seitliche Bauchübungen.“
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Carolina Adamzek aus Goldbach
„Also so in etwa sehe ich auch aus und ich bin mit mir nicht zufrieden, aber auch zu faul, Sport zu machen, von daher habe ich jetzt überhaupt kein Problem damit, wenn jemand so aussieht. Meine Traumfigur ist es allerdings nicht.“
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Eva Orth aus Aschaffenburg
„Also es entspricht jetzt nicht meinem Schönheitsideal, aber wenn jetzt jemand so im Schwimmbad rumläuft, ist das okay, die Frau muss sich ja gefallen. Die muss ja nicht mir gefallen, sondern sich selbst. Mir ist das egal, ich kann jemanden so gut ansehen.“
Reaktion als ich die Situation aufgelöst habe: „Ja das ist doch wunderbar, wenn ihnen das so gefällt. Wir finden das in Ordnung.“
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Phil Heck aus Hösbach-Rottenberg
„Boah ist das das hässlich. Wenn der Mann genauso aussieht, geht das mit der Frau klar. Aber nein, geht nicht. Gefällt mir gar nicht. Zu weiß, zu fettig. Meine Freundin dürfte so auf gar keinen Fall aussehen. Reaktion als ich die Situation aufgelöst habe: „Nein, das bist du nicht. Hätte ich nicht gedacht.“ Ich: Hättest du mir das auch ins Gesicht?“ „Ja, hätte ich.“
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Carmen Gumbel aus Aschaffenburg
„Ich finde, die Dame hat eine wunderschöne frauliche Figur.“ Reaktion als ich die Situation aufgelöst habe: Ich finde den Trend, dass man immer schlanker sein muss, ganz furchtbar – Schönheit liegt im Auge des Betrachters – jeder sollte so sein, wie er sich wohlfühlt.
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Dieter Orth aus Aschaffenburg
„Wenn der Kopf dazu passt, ist das okay. Für daheim rum geht die Figur.“ Reaktion als ich die Situation aufgelöst habe: „Wann haben Sie das Foto denn gemacht?“ Ich: „Gestern!“ Dieter Orth: „Dann kann man es ja noch auf den Winterspeck schieben.“
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Verena Schmidtfall aus Karlstein
„Nee, finde die Figur völlig ok – da ist alles noch top im Rahmen.
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Irina Gaetano aus Aschaffenburg
„Kommt drauf an wie alt sie ist. Wenn sie 60 ist, ist es super, Anfang 20 ist es furchtbar.“ Reaktion als ich die Situation aufgelöst habe: „Ich würde Ihnen empfehlen ein bisschen mehr Fitness zu machen.“
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Lena Bayer aus Schaafheim
„Ja also ich finde es völlig okay, ich finde das ist eine ganz normale Körperform. Dafür muss man sich nicht annähernd schämen. Reaktion als ich die Situation aufgelöst habe: „Also ich finde es irgendwie Quatsch, dass es diese Schönheitsideale gibt. Jeder ist schön auf seine eigene Weise. Niemand sollte sich für seinen eigenen Körper schämen.“
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Verriello Gaetano aus Aschaffenburg
„Das ist nicht so schön. Ist zu hell. Figur ist nicht so schlimm, aber kann man schon ein bisschen verbessern.
Reaktion als ich die Situation aufgelöst habe: „Sie können schon ein bisschen an sich arbeiten.“
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Tamara Sehnerth aus Schaafheim
„Ein sehr ansprechender Körper – eine sehr schöne Figur. Ich würde auch so rumlaufen.“ Reaktion als ich die Situation aufgelöst habe: „Zur Figur habe ich ja schon alles gesagt und generell: Schönheit kommt von innen, das lege ich nicht an äußeren Dingen fest.“
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Angelika Heinzle aus Hösbach
„Finde ich gut. Ich finde es gut, dass sie kein Problem hat ihren Körper zu zeigen auch wenn nicht alles ideal ist. Ich könnte so auch aussehen.“ Reaktion als ich die Situation aufgelöst habe: „Das empört mich, dass so viele negativ darauf reagieren. Solange man gesund ist, ist doch alles gut. Wer sagt denn, dass wir so oder so aussehen müssen.“
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Ralf Nebel aus Bessenbach-Keilberg
„Ist nicht so mein Geschmack. Der fehlen die normalen Kurven, so um die Hüfte rum. Ich glaube, ich sehe immer die Frauen bei YouTube, die ihre Übungen für den Hintern machen, das würde ich ihr vorschlagen.“ Reaktion als ich die Situation aufgelöst habe: „Würde ich dir jetzt nicht abkaufen, da hat jemand bestimmt mit Fotomontage was verändert.“
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Hiltrud Fries aus Großostheim
„Das ist eine ganz normale Figur – ich würde gerne so aussehen wollen. Ich bin zufrieden mit meiner Figur, aber die Figur finde ich auch sehr gut. Es muss nicht jeder so schlank sein wie bei der Heidi Klum.“ Reaktion als ich die Situation aufgelöst habe: „Das andere so hart reagiert haben, kann ich nicht verstehen. Die wenigsten sind zufrieden mit ihrem Körper – glaube da gibt’s nur wenige.“
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Kassra Adloo aus Aschaffenburg
„Nicht jeder muss dünn sein mit Werten 90, 60, 90. Warum sollte meine Freundin nicht so aussehen dürfen? Äußere Werte werden irgendwann nicht mehr attraktiv genug sein, weil die inneren Werte zählen und es bringt nichts, wenn ich die hübscheste Frau habe, aber die inneren Werte nicht stimmen. Reaktion als ich die Situation aufgelöst habe: „Das Problem ist einfach, dass wir zu viel erwarten, vor allem Männer von Frauen. Was die Männer selbst anbieten, ist auch nicht immer attraktiv – wir haben oft eher einen Waschbärbauch als Waschbrettbauch. Das ist immer noch ein Rollenproblem, glaube ich. Die Frauen müssen immer schön sein, die Männer am besten immer noch reich.“
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Judit Winderlich aus Aschaffenburg
„Also prinzipiell könnte ich mir vorstellen, auch so auszusehen. Die Frau sieht ja schon ziemlich durchtrainiert aus, bis auf ein kleines Bäuchlein.“
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Marco Reibert aus Schaafheim
„Meine Freundin könnte so aussehen. Dick ist die Frau nicht, aber ich würde nicht danach Ausschau halten. Wenn man dann aber persönlich klar kommt, ist das ok.“
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Christina Herzog aus Aschaffenburg
„Ich finde den Körper einen realistischen guten Durchschnitt, weil das keine runtergehungerten Modelmaße sind und eine schöne Oberweite vorhanden ist. Sie hat nicht zu viel Bäuchlein aber doch ein bisschen. Einfach ein sehr guter Durschnitt!“
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Nico Peatsch aus Miltenberg
„Das bist du, oder? Das Wichtigste ist, meiner Meinung nach, die Ausstrahlung eines Menschen – damit kann jede Problemzone kaschiert werden.“
Das sagen Experten:
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lrich Karcher Modenschau-Experte aus dem Main-Kinzig-Kreis
Ulrich Karcher ist seit über 40 Jahren international im Model-Business tätig: „Vor 30 bis 40 Jahren hatten die Models in Deutschland etwas mehr auf den Rippen. Ich denke, dass gerade Soziale Netzwerke ein großes Problem für unser Schönheitsbild sind. Jeder stellt Bilder online, die bearbeitet sind, und Personen nur von ihrer Schokoladenseite zeigen. Diese Posts sind angelehnt an die Mode-Bilder. Doch was man dabei oft vergisst, ist: Der Job eines Models ist, schön auszusehen. So dreht sich das ganze Leben um das Aussehen. Hinzu kommt, dass ein erfolgreiches Model von Haus aus einen außergewöhnlich ‚perfekten‘ Körper hat und dennoch viel Arbeit in ihr Aussehen steckt. Und dann wird auch noch sehr viel mit Photoshop gearbeitet. Ich denke nicht, dass sich das Schönheitsbild in den nächsten Jahren ändern wird. Curvy Models waren nur ein Trend. Auf den internationalen Laufstegen werden auch die Curvy Models schon wieder schlanker.“
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Vesna Boccadamo, Model aus Stuttgart
Sie ist seit über 20 Jahren im Model-Business erfolgreich tätig, sowohl national, als auch international: „Es gibt viele Fotos, auf denen ich mich manchmal nicht mehr selbst erkenne, weil mit Photoshop so viel retuschiert wurde. Es wird ein völlig verzerrtes Frauenbild dargestellt. Gerade im Foto-Model-Bereich werden oft sehr junge Modells gebucht und deren Körper entspricht natürlich auch nicht dem einer Frau, sondern von dem eines Mädchens. “
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Philip Adebahr, Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Soziologe an TU in Chemnitz
„Schönheitsempfindungen sind sehr gruppenspezifisch. Je nachdem, welche Personengruppe sie fragen, bekommen sie unterschiedliche Antworten. Fragen Sie beispielsweise ältere Personen, die die entbehrungsreichen Kriegs- und Nachkriegsjahre erlebt haben, nach ihren Schönheitsvorstellungen, werden sie eine Tendenz zu fülligeren Körperformen beobachten. In einigen asiatischen Kulturkreisen gilt es als schön, besonders Blass zu sein, da es von dem Wohlstand zeugt, nicht draußen arbeiten zu müssen. In Deutschland wird vielerorts hingegen die Urlaubsbräune als Zeichen für Wohlstand und Schönheit gedeutet. Einige Männer finden gebärfreudige Becken attraktiv, andere bevorzugen eher ein schmales Gesäß.“
Der Beitrag Reporterin Sina Grusdat im Bodycheck – „Boah, ist die hässlich!“ erschien zuerst auf Primavera24.