BAYERISCHER UNTERMAIN. Die Nachricht schlug am vergangenen Donnerstag ein wie eine Bombe: Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte, dass auch in Zukunft männliche Küken massenhaft getötet werden dürfen – zumindest bis es eine Alternative gibt. Völlig verständlich, dass die Emotionen hier vor allem bei vielen Tierschutzvereinen und in der Bevölkerung hochgekocht sind. Aber wieso werden die Küken eigentlich massenhaft getötet? PrimaSonntag hat versucht Licht in das Thema zu bringen und mit Lesern und Experten gesprochen.
Der Grund im Tod von so vielen Küken ist ganz einfach: Die Hahnen legen keine Eier und sind, im Gegensatz zu Legehennen und Masthühnern, auch nicht für die Fleischproduktion geeignet, da sie nicht genügend Fleisch ansetzen. Darum bleibt den männlichen Küken nur der Weg in den Tod: Sie werden als Küken durch den Schredder getötet und zu Tierfutter weiterverarbeitet.
In Schaafheim sterben
etwa 32.000 Küken pro Tag
Die Firma LSL Rhein-Main in Schaafheim ist eine der größten Brütereien in Deutschland. Dort werden jährlich schätzungsweise etwa 12 Millionen, also gut 32.000 Küken am Tag, mit Kohlendioxid vergast. Laut dem Unternehmen werden die männlichen Eintagsküken ordnungsgemäß nach den geltenden gesetzlichen Maßgaben und unter veterinärmedizinischer Aufsicht und Prüfung getötet. Das Veterinäramt Darmstadt-Dieburg hat der Brüterei bereits 2014 die Tötung der männlichen Küken verboten. Allerdings unter demselben Vorbehalt wie das Urteil laut Bundesverwaltungsgericht besagt: Sobald ein Verfahren zur Geschlechterbestimmung im Ei verfügbar und zuverlässig in der Praxis anwendbar ist, dürfen die männlichen Küken nicht mehr vergast werden. Auf unsere Nachfrage ob LSL Rhein-Main in die Forschung von Alternativen investiert haben wir folgendes Statement erhalten: „LSL Rhein-Main unterstützt die Forschung und Entwicklung von Alternativen durch die Bereitstellung von eigenem Praxiswissen. Auch wir sind sehr an einer möglichst schnellen Lösung in der bekannten Problematik interessiert.“
Welche Alternativen gibt es?
Große Hoffnungen werden derzeit auf das Alternativverfahren „Seleggt“ gesetzt. Hier wird dem Ei zwischen dem achten und zehnten Bruttag Flüssigkeit entnommen und so das Geschlecht bestimmt. Die männlichen Küken werden dann schon als Embryonen aussortiert. Doch auch dieses Verfahren hat seine Kritiker: Dr. Christian Arleth von PETA Deutschland e.V. hat die Verhandlungen und auch die Urteilsverkündung vor dem Bundesverwaltungsgericht als Syndikusrechtsanwalt und Prozessbeobachter besucht. Zum Thema Alternativverfahren sagt er: „Keines dieser Verfahren kann jedoch als tierschutzkonform bezeichnet werden: Es ist nicht wissenschaftlich abgesichert, dass die sich in den Eiern entwickelnden männlichen Küken beim Aussortieren und Weiterverarbeiten zu Tierfutter noch keine Schmerzen empfinden können. Die einzige tierschutzkonforme und ethisch vertretbare Alternative ist eine 100% pflanzenbasierte Ernährung und Lebensweise.“
Bernd Adleff vom Landesverband der Bayerischen Geflügelwirtschaft e.V. sieht bei diesem Thema noch weitere Problematiken. Laut Adleff werden die mit CO2 vergasten Küken als Tierfutter verwendet, welches dann wegfallen würde. Des Weiteren könnte es darauf hinauslaufen, dass die Produktion zukünftig einfach in die europäischen Nachbarländer wird, wo die Tiere häufig unter noch schlechteren Bedingungen gehalten werden, so Adleff.
Tierschutz gibt’s nicht zum Nulltarif
Inke Drossé, Abteilungsleitung Tiere in der Landwirtschaft beim Deutschen Tierschutzbund sieht das Hauptproblem an einem ganz anderen Ort: „Weder Geschlechtsbestimmung im Ei, noch die Aufzucht der männlichen Küken, löst jedoch das grundsätzliche Problem, das hinter dem Kükentöten steht, nämlich die extrem spezialisierte Zucht auf Legeleistung und die damit verbundenen Tierschutzprobleme.“ Laut Drossé müssen Politik und Branche eine Rückkehr zu Zweinutzungshühnern vorantreiben. Das sind Hühner, die sowohl für die Eiererzeugung als auch für die Mast geeignet sind. Es gibt bereits einige Initiativen wie beispielsweise die Bruderhahn-Initiative Deutschland, die sich das Retten der männlichen Küken auf die Fahne geschrieben haben. „Aber auch beim Zweinutzungshuhn muss der Verbraucher akzeptieren, dass es mehr Tierschutz nicht zum Nulltarif gibt“ so Inke Drossé.
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
Bis es Alternativen zur Geschlechterbestimmung im Hühnerei gibt, bleibt das Töten der männlichen Küken in Deutschland rechtmäßig. Das wirtschaftliche Interesse an Hennen, die speziell auf eine hohe Legeleistung gezüchtet sind, ist laut Bundesverwaltungsgericht kein vernünftiger Grund für das Töten der männlichen Küken. Bisher galt dies noch als Grund. Da aber sehr bald ein Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei zur Verfügung stehen soll, kann die bisherige Praxis fortgesetzt werden.
Das sagen die Leser:
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Reinhold Bott aus Aschaffenburg
„Ich finde das nicht gut. Das Bundesverwaltungsgericht sagt ja und nein gleichzeitig. Die sind sich auch nicht einig. Ich finde es nicht gut, weder vergasen noch schreddern.
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Marion Jagdberg aus Aschaffenburg
„Finde ich schrecklich. Das sind Lebewesen, die haben auch Schmerzen und Gefühle. Das sind doch Tiere, die kann man nicht einfach schreddern. Wenn ich irgendwas nicht will, kann ich es nicht einfach vernichten.“
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Ivo Trützler
„Ich finde es nicht gut. Wir essen nur noch Eier von Hühnern aus Freilandhaltung. Es macht schon Sinn das zu thematisieren und sich Gedanken darüber zu machen. Es sind halt auch wirtschaftliche Gründe, die dem gegenüber stehen.“
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Ingeborg Ebert aus Karlstein-Dettingen
„Alles was lebt ist ein Lebewesen, das muss man erstmal schützen. Und dann auch Vor- und Nachteile abwägen und den Nutzen hinterfragen. Die Männchen sind ja auch dazu da, um die Weibchen glücklich zu machen. Das Zusammenwirken muss funktionieren und wenn`s funktioniert hat man nicht das Recht Leben zu zerstören.“
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Markus Ballmann aus Aschaffenburg-Strietwald
„Das sollte verboten werden, das ist nicht Artgerecht. Ich habe selber Schäferhunde und weiß was abgeht. Das muss nicht sein.
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Yasin Ceylanoglu aus Goldbach
„Finde ich nicht in Ordnung. Es sind ja auch Lebewesen.
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Stefanie Schnellbacher aus Glattbach
„Das finde ich allein aus ethischen Aspekten nicht gut. Das ist tierverachten, sowas möchte ich nicht befürworten.“
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Christopher Frahnert aus Aschaffenburg
„Das Kükenschreddern sollte man verbieten. Das ist moralisch verwerflich. Das sagt eigentlich schon der gesunde Menschenverstand, dass man sowas nicht macht.“
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Norbert Staut aus Großostheim
„Ich bin schon sehr tierliebend und das muss nicht sein.“
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Jürgen Metzler aus Langstadt
„Das ist schon schade. Man könnte diese Hähne ja großziehen und daraus große Hähnchen machen. Aber denen ist das ja zu viel Arbeit, weil die nicht so viel Fett und Fleisch ansetzen.“
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Michaela Spatz aus Hösbach
„Warum sollte man das machen, diese Tiere umbringen. Das finde ich nicht gut. Man muss sich mal die Stückzahl vorstellen, das ist halt das Schlimme. Eine Lösung dafür habe ich auch nicht parat, aber das die einfach geschreddert werden, weil sie männliche Küken sind geht nicht.“
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Jürgen Reusing aus Alzenau
„Nein, das finde ich nicht gut. Die Küken sollten ihr Leben genießen wie die anderen auch.“
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Silvia Schmitt aus Aschaffenburg
„Ich bin entsetzt. Männliche Küken haben genauso ein Recht zu leben wie weibliche.“
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Holger Schümann aus Aschaffenburg
„Das muss nicht unbedingt sein, aber wo sollen wir sonst hin damit. Man sollte das weiter erforschen, dass man die männlichen Küken schon im Ei erkennen kann. Das ist doch eine gute Sache. Warum hat man das nicht schon früher gemacht, die Technik ist doch schon längst soweit.“
Der Beitrag Gelb, flauschig – tot?! – Männliche Küken werden massenhaft getötet erschien zuerst auf Primavera24.