BAYERISCHER UNTERMAIN. Über viele Jahre hinweg war immer klar: Die Landwirte der Dörfer produzierten Lebensmittel – die Städte profitierten davon. Auf dem Land entstand Handwerk und Kleinbetriebe boten Arbeitsplätze. Doch mit Beginn der Industrialisierung führte der Weg aus den Dörfern in die Städte. Diese Entwicklung geht heute noch weiter. Gerade in unserer Region sind die Zahlen erschreckend.
Das Bayerische Landesamt für Statistik zeigt: Im Kreis Aschaffenburg gehen in vielen Gemeinden die Einwohnerzahlen konstant zurück. In der Bevölkerungsvorschau sieht man, dass vor allem Mömbris zwischen 2014 und 2024 von 11.710 Einwohnern auf 11.250 schrumpft. Auch in Laufach, Glattbach und Karlstein macht sich diese negative Entwicklung in Zahlen bemerkbar. Der Kreis Miltenberg hat in Zukunft sogar stärker mit demselben Problem zu kämpfen. Hier stehen besonders Eschau, Obernburg und Collenberg im Fokus. Sie verlieren gemeinsam rund 900 Einwohner bis 2024. „Die Entwicklung wird sich wahrscheinlich nicht komplett aufhalten lassen, aber als Kreis ist es unsere Pflicht, den Menschen in kleineren Kommunen eine gute Verbindung im öffentlichen Nahverkehr anzubieten. Dann können wir unsere Zahlen halten, vielleicht sogar steigern“, so der stellvertretende Landrat des Kreises Miltenberg, Thomas Zöller.
Kein Supermarkt keine Menschen
Aber nicht nur die Verkehrsbindung in den Gemeinden ist ein wichtiger Faktor für das Leben. Kleine Kommunen brauchen ein Angebot an Einkaufsmöglichkeiten, um für junge Menschen attraktiv zu sein. In Kleinkahl führt der neue Dorfladen zum Beispiel dazu, dass Menschen auch zu Fuß Gemüse oder Fleisch kaufen können. „In der Tat ist es so, dass wir immer weniger Einzelhandel in kleinen Kommunen haben“, so Markus Greber von der IHK Aschaffenburg. „Es gibt einfach einen klaren Strukturwandel – wir kaufen einmal die Woche groß ein, teilweise sogar online. Darunter leidet der Einzelhandel in kleinen Gemeinden.“ Auch die Statistik vom Handelsverband Bayern zeigt eine ähnliche Entwicklung. „Zwar steigt die Kaufkraft der Menschen im Kreis Miltenberg und Aschaffenburg, aber der Umsatz im Einzelhandel tritt auf der Stelle. Grund dafür sind zum Teil höhere Mietpreise als vor 20 Jahren und dass heuer mehr Geld für Urlaub ausgegeben wird“, begründet Volker Wedde vom Handelsverband Bayern die negative Entwicklung.
Das sagen die betroffenen Bürgermeister
Michael Schüßler
Bürgermeister von Leidersbach (2014: 4.700 / 2024: 4.490 )
„Ich kenne die Zahlen, aber die Entwicklung, die ich in Leidersbach sehe, stimmt mich positiv. Wir haben in diesem Jahr bereits zehn Neubauanträge bewilligt. In Zukunft investieren wir noch in die Digitalisierung der Schule und wollen eine Kita bauen. Gerade junge Leute entscheiden sich, nach Leidersbach zu ziehen, weil wir mit einem Grundstückspreis von 100 bis 150 Quadratmeter finanzierbar sind. Auch das Ehrenamt wird in unserer Gemeinde mit 62 Vereinen großgeschrieben“.
Friedrich Fleckenstein
Bürgermeister von Laufach (2014: 5.170 / 2024: 4.900)
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„Wir haben in Laufach mit der Verkehrsanbindung nach Aschaffenburg eine sehr gute Infrastruktur und investieren hier auch in den nächsten Jahren. Wir glauben, dass wir damit der Prognose entgegenwirken werden.“
Karl-Josef Ullrich
Bürgermeister von Collenberg (2014: 2.420 / 2024: 2.160)
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„Natürlich kämpfen wir hier in Collenberg mit dem Problem, dass viele Leute wegziehen, aber ich denke, die Zahlen stagnieren in letzter Zeit bei uns. Wir hatten mal im Südspessart über 10.000 Einwohner – mittlerweile liegen wir deutlich drunter. Ich denke, mit aktiven Vereinen und günstigen Bauplätzen können wir Collenberg, gerade für junge Menschen, wieder schmackhaft machen“.
Michael Günther
Bürgermeister von Eschau (2014: 3.720 / 2024: 3.400)
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„Ich glaube, die Zahlen vom Bayerischen Landesamt für Statistik sind ein wenig überholt. Bei uns laufen bereits viele Projekte, um unsere Gemeinde attraktiver zu machen. Wir haben hier definitiv eine Wohnungsnot und keine leerstehenden Häuser. Auch die Riesen-Anzahl an Neugeburten stimmt uns positiv, dass die Zahlen wieder zunehmen werden.“
Klaus Herzog
Oberbürgermeister Aschaffenburg (2014: 68.170 / 2024: 69.890)
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„Wenn die Einwohnerzahl wächst, ist das positiv. Angesichts des demografischen Wandels ist es wichtig, dass wir Zuzüge in die Stadt haben. Ganz besonders freue ich mich, dass viele junge Leute an unsere technische Hochschule kommen. Viele von ihnen bleiben in der Region Aschaffenburg und stärken als gut ausgebildete Fachkräfte unsere heimischen Betriebe. Das bedeutet für Aschaffenburg eine Stärkung unserer Wirtschaftskraft. Wohlergehen und sichere Arbeitsplätze stärken den Zusammenhalt und ein gutes Miteinander zwischen den Generationen.“
Horst Engler
Bürgermeister von Mainaschaff (2014: 8.690 / 2024: 9.400)
„In den vergangenen fünf Jahren haben wir bereits einen Zuwachs von ca. 200 Menschen gehabt. Die schnelle Verkehrsanbindung Richtung Frankfurt und die gut ausgebaute Infrastruktur mit vielfältigen Angeboten im gewerblichen und medizinischen Bereich sowie Vereine halten Mainaschaff u.a. als Wohnort attraktiv. Nachdem in Mainaschaff keine weiteren Wohnbau-Gebiete erschlossen werden können, wären in den nächsten sechs Jahren auch kaum Möglichkeiten vorhanden, Wohnraum für ca. 700 zusätzliche Mitbürger zu schaffen.
Jürgen Seitz
Bürgermeister von Kahl (2014: 7.480 / 2024: 7.710)
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„Es werden wahrscheinlich deutlich mehr Menschen nach Kahl kommen. Alleine aktuell haben wir 100 Wohnungen, die im Bau sind. Es gibt sogar den Wunsch, Einfamilienhäuser durch Mehrfamilienhäuser zu ersetzen. Ich glaube einfach, dass Kahl zum einen ländlich optimal liegt, aber auch sehr viele städtische Vorteile wie zum Beispiel die drei Autobahnanschlüsse mit sich bringt“.
Tops:
Aschaffenburg 2014 = 68.170 Einwohner
Aschaffenburg 2024 = 69.890 Einwohner
Mainaschaff 2014 = 8.690 Einwohner
Mainaschaff 2024 = 9.400 Einwohner
Alzenau 2014 = 18.860 Einwohner
Alzenau 2024 = 19.170 Einwohner
Schöllkrippen 2014 = 4.140 Einwohner
Schöllkrippen 2024 = 4.400 Einwohner
Kahl 2014 = 7.480 Einwohner
Kahl 2024 = 7.710 Einwohner
Flops:
Hösbach 2014: 13.110 Einwohner
Hösbach 2024: 12.640 Einwohner
Mömbris 2014: 11.710 Einwohner
Mömbris 2024: 11.250 Einwohner
Karlstein 2014: 7.960 Einwohner
Karlstein 2024: 7.620 Einwohner
Eschau 2014: 3.720 Einwohner
Eschau 2024: 3.400 Einwohner
Obernburg 2014: 8.480 Einwohner
Obernburg 2024: 8.170 Einwohner
Der Beitrag Stadt – Land – Tod? PrimaSonntag-Gemeinden droht das Aussterben erschien zuerst auf Primavera24.